Über 880 Jahre Meringer Andechs-Wallfahrt

„Wir aber kommen aus der Zeit...“ – wann immer die Meringer Andechswallfahrer diese Worte des alten Liedes singen, wissen sie sich eingebunden in eine über 880 Jahre dauernde Tradition. Johanna Riebler aus Mering hat sie hier kurz zusammengefasst.

Die Wallfahrt hat sich im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt. So zahlreich und verschieden die Pilger auch waren, so vielfältig waren und sind ihre Anliegen, die sie auf den Heiligen Berg tragen.

36 km zu Fuß

Rund 200 Pilger machen sich jedes Jahr am Vortag von Christi Himmelfahrt um 2.30 Uhr auf den Weg von der Meringer Michaelskirche nach Andechs.

Immer mehr junge Leute finden Gefallen am Gang in den Tag hinein. Rosenkranzgebete und Gesänge erleichtern das Marschieren. Voraus drei Kreuzträger, die jedes Jahr ein anderer Verein stellt. Frauen und Männer folgen in Viererreihen. Man dankt dem Vordermann das Gleichmaß der Schritte: „Ihr geht ja gut und tippelt nicht so“, gilt da schon als Lob.

Wallfahrtserinnerung

Viele Pilger, für die die Wallfahrt seit jeher dazu gehört, schöpfen dann aus ihren Erinnerung. Kinder bekamen in der Nachkriegszeit schulfrei. Angekommen in Andechs genossen sie die Freiheit ohne Aufsicht der Eltern. Von Übernachtungen in Heustadeln („spät im Jahr war’s da kalt, weil das Heu schon so dünn war“) oder aufgeschüttetem Stroh mit anschließendem Ausschlag erzählen viele. War die Wallfahrt früh im Jahr, spurte man manchmal noch durch frisch gefallenen Schnee.

In Moorenweis erwartet man die Pilger zur ersten Rast. Die zweite Etappe endet in Stegen. Hier liegt das Schiff nach Herrsching bereit. An Deck sind die Wallfahrer die einzigen Fahrgäste , die müden Füßen können sich ausruhen. Selbstbewusstsein gehört dazu, mit einem Kreuz auf der Schulter an einem Einkaufsvormittag durch Herrsching Richtung Kiental zu gehen.

Letzte Aufstellung vor dem Gang durchs Kiental. Rasch geht es dahin und endlich hören die Pilger die große Andechser Glocke. Am Ende der letzten steilen Treppe werden die Wallfahrer von den Mönchen begrüßt und gesegnet. Erschöpft aber glücklich drängen sie sich in die Bankreihen der Wallfahrtskirche. „Wir aber kommen aus der Zeit ...“ – viel Innigkeit liegt nun in diesem Lied und mancher hat eine Träne in den Augen.

Verweilen und Innehalten

Die Atmosphäre des Ortes rührt viele an, erleben sie doch die Verbindung von Glauben und Gottvertrauen, Heimatverbundenheit und Gemeinschaftssinn. Zur inneren Einkehr gehört auch die äußere. Bei Bier und Brotzeit und einer entspannten Unterhaltung mit dem Tischnachbarn sind die Anstrengungen der Pilgerfahrt schnell bewältigt. Danach lockt der Klosterladen, in der Kapelle zündet man Kerzen an, still verweilen viele in der Wallfahrtskirche. Schließlich bezieht man sein Quartier.

Der nächste Morgen beginnt sehr früh um kurz nach 5 Uhr mit einem Gottesdienst. Danach geht es auf den Rückweg.

In Mering gehen Bürgermeister, Kommunionkinder und Blaskapelle den Wallfahrern entgegen, um gemeinsam zur Pfarrkirche zu ziehen. Wenn dort wieder „Wir aber kommen aus der Zeit...“ erklingt, dann geschieht es mit viel Überzeugung. Keine Spur von Müdigkeit oder Erschöpfung: „So Gott will, gehen wir nächstes Jahr wieder mit!“

Bewegte Geschichte

Der 36 Kilometer lange Fußmarsch von Mering nach Andechs wird im Hermannbrief (1128) erstmals erwähnt. Mering gehörte zum Territorium der Grafen von Dießen-Andechs. Als im 12. Jahrhundert das Gebiet mit „tödlichait vnd sterben, mit theuerung vnd kriegen fast beschweret ward“ machte sich „Meoring“ zusammen mit 17 Lechraingemeinden zu Pfingsten auf die Wallfahrt: „mit Kertzen, die das gantz Jar vor dem hochwirdigen hailthumb brinnen vnd ain yegklich Mensch soll da opfern ain pfenning“.

Wenn auch diese Urkunde teils kritisch gesehen wird, kann man davon ausgehen, dass bereits zu dieser Zeit der Gang nach Andechs fester Brauch war. Gesicherte Aufzeichnungen über die Meringer Andechswallfahrt finden sich ab etwa 1450, so der Münchner Volkskundler Robert Böck. Im Meringer Pfarrarchiv liegen aus dem Jahr 1654 Aufzeichnungen über den Ablauf der Wallfahrt: „der Mittwoch ist der dritte creuzgang in der creuzwochen... zu nachts bleibt man zu Graffrath... auf solche manier ist der creuzgang sehr bequemlich“. Im Wachsgewölbe zeugen die Kerzen aus Mering von ihrer Bedeutung für die Andechser Pilgertradition. Die älteste Kerze stammt aus dem Jahr 1746.

Wallfahrt trägt durch wechselvolle Zeiten

1784 unterbrachen der Augsburger Fürstbischof Clemens Wenzeslaus und Kurfürst Karl Theodor die Wallfahrtstradition. Ihnen waren die „immer üppiger wuchernden Formen des religiösen Brauchtums“ nicht geheuer. Ab 1788 lebte die alte Pilgerpraxis zum Teil wieder auf. Ab 1822 konnte sie ungehindert gepflegt werden. Um 1870 herum kam die Wallfahrt aufgrund der Spaltung in Altkatholiken und Katholiken zeitweise zum Erliegen. Die Augsburger Wallfahrer, die auf ihrem Weg nach Andechs durch Mering kamen, zogen in diesen Jahren mit gesenkter Fahne zum Zeichen der Trauer durch das Dorf. Die 800-jährige Jubelwallfahrt 1931 wurde jedoch wieder groß begangen. Staatliche Stellen verboten 1938 die Wallfahrt. Bis 1945 beschränkte man sich schweren Herzens auf Betstunden in der Kirche. 1946/47 wurde die Wallfahrt wiederbelebt.

Literatur-Hinweis: Günter Kapfhammer „Die Wallfahrt von Mering nach Andechs“

Kloster Andechs Wappen