Ohne Hefe gärt gar nichts

Als das Bayerische Reinheitsgebot 1516 erlassen wurde, wusste niemand etwas von der Bierhefe.

Seit dem 17. Jahrhundert ist ihre Wirksamkeit bekannt, aber erst Louis Pasteur fand rund 200 Jahre später heraus, dass bei der Gärung winzige Organismen, die Hefepilze, beteiligt sind. Bis dahin galten mancherorts die Bäcker als geniale, aber auch misstrauisch beäugte Bierkünstler.

Begleiten Sie die Hefe auf ihrem Weg durch den Gärprozess.
Die alten Germanen waren der Überzeugung, dass bei der Gärung von Bier Wotans Spucke am Werke sei. Aber diese Spucke selbst herzustellen, daran scheiterten unsere Vorfahren. Die Engländer halfen sich mit der Erklärung, dass „Gottesgut“ das Bier gären lasse. Wieder anderer Ansicht waren die Schweizer, die für den gesamten Gärungsprozess schlicht und einfach Bierhexen verantwortlich machten. Für lange Zeit war auch die Meinung verbreitet, dass Honig das Bier zum Gären bringe.

Warum man früher Bäcker für die besten Brauer hielt.

Bäcker – Braukünstler oder Zauberer? Im Mittelalter gelangen, vorsichtigen Schätzungen zufolge, von zehn Versuchen Bier zu brauen, oft nicht mehr als zwei. Mit heute sehr zweifelhaften Mitteln versuchte man, der Gärung „auf die Sprünge“ zu helfen. Ochsengalle, Safran oder Hirschhornsalz waren nicht die einzigen, allerdings aus heutiger Sicht nicht einmal die unappetitlichsten Zugaben. Die Bäcker dagegen schienen mit der Gärung offenbar kaum Probleme zu haben. Sie brauten fröhlich „drauflos“ und bei ihnen gelangen die Biere einfach. Und zwar so gut, dass das Braurecht oft und gerne an Bäcker vergeben wurde. Jedoch sahen sich die Bäcker immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, sie seien Hexer, Zauberer oder gar mit dem Teufel im Bunde.

In dieser Zeit hatte man keinerlei Wissen über Mikroorganismen. Damit war auch nicht klar, was sie als Nahrung verwerten können und was schließlich als Endprodukt ihres Stoffwechsels entsteht. Der Alkohol entstand durch „Spontangärung“. Je nach Umgebungsbedingungen konnten sich bestimmte Mikroorganismen vermehren. Die Bäcker hatten einfach Glück und vefügten in ihren Backstuben über die richtigen Hefekulturen.

Vom Reinheitsgebot zur Hefereinzucht

Noch heute schwirren Abermillionen von mikroskopisch kleinen Hefezellen durch jede Bäckerei, die ein gutes Bier hervorbringen können. Aber als das bayerische Reinheitsgebot 1516 vom bayerischen Herzog Wilhelm IV. erlassen wurde, war die Bierhefe noch nicht bekannt. Rund einhundert Jahre später erkannte man zwar ihre Wirksamkeit, doch bis dahin sprach man immer noch von Fügung oder glücklichen Zufällen, wenn die Bierwürze tatsächlich zu gären begann.
Seit dem 17. Jahrhundert wurde dann – mit dem Wissen um die Wirkung der Hefe – gezielt obergärig und untergärig gebraut. Ganz spezifische Stämme von Mikroorganismen für die Herstellung von alkoholischen Getränke zu verwenden ist erst durch deren Entdeckung und systematische Erforschung möglich geworden. Louis Pasteur (1822-1895), der berühmte französische Naturwissenschaftler und neben Robert Koch einer der Begründer der Mikrobiologie, fand um die Mitte des 19. Jahrhunderts heraus, dass bei der Gärung winzige Organismen beteiligt sind: die Hefepilze. Das sind mikroskopisch kleine Einzeller aus der Gruppe der Sprosspilze. Diese Hefepilze arbeiten mit Enzymen, wie sie schon vom Mälzen her bekannt sind (vgl. den Beitrag zum Malz).
Der dänische Botaniker Emil Christian Hansen (1842-1909) fand schließlich heraus, dass unter Hefe mehrere verschiedene Pilz-Organismen zu verstehen sind und dass die einzelnen Stämme in Reinzucht kultiviert werden können. Diese Entdeckung legte die Basis dafür, dass den Braumeistern heute eine ganze Fülle von verschiedenen Hefesorten zur Verfügung stehen, die das Bier gären lassen und ganz entscheidend das Geschmacksbild der Biere prägen.

Die Hefe – ein kleines Charakterbild

Systematisch gehört die Hefe zu den Pilzen. Die so genannte Brauereihefe gehört zur Gattung der Saccharomyces. Die einzelnen Stämme dieser Gattung unterscheiden sich durch ihr Gärvermögen und ihre Stoffwechselprodukte. In der Brauerei wird obergärige und untergärige Hefe verwendet.
Typische für die Brauereihefe ist ihre Vermehrung durch Sprossung. Bei der Sprossung bildet sich an der Zelle eine Auswölbung, die sich zu einer kompletten Hefezelle entwickelt und sich dann abtrennt. Die ursprüngliche Zelle ist damit geklont. Die entstandenen Zellen haben exakt die gleichen Eigenschaften. Allerdings ist auch eine Vermehrung über die geschlechtliche Fortpflanzung in Form von Sporenbildung möglich. Dabei wird allerdings das Erbgut der Zelle neu geschrieben und es können andere - auch unerwünschte - Hefeeigenschaften entstehen. Bei der so genannten Hefeherführung müssen die Braumeister auf beste Bedingungen achten, damit die Gäreigenschaften der Hefe optimal ausgeprägt werden.

Wo die Klosterbrauerei Hefe verwendet

Im Brauprozess wird natürlich nicht für jeden Sud neue Hefe benötigt. Hefe vermehrt sich beim Brauen von selbst. Zudem wird immer frische Reinzuchthefe zugesetzt. Der Braumeister sagt dazu „nachgeführt“. Am Ende des Gärprozesses können die Brauer - je nach Biersorte - etwa dreimal soviel Hefe abziehen, wie sie ursprünglich zur Würze am Beginn des Gärprozesses hinzu gegeben haben. Der Grund liegt darin, dass in der Würze alle für die Vermehrung nötigen Nährstoffanteile wie Eiweiß, Kohlehydrate, Spurenelemente und Vitamine als auch Sauerstoff vorhanden sind.

Was die Hefe bewirkt

Nach der Abkühlung wird die Würze aus dem Sudhaus in die jeweiligen Tanks des Gärkellers gepumpt. Es ist die Kunst der Braumeister, die Hefegabe so zu bemessen, dass die Hefezellen „rechtzeitig“ ihre Tätigkeit einstellen, um das gewünschte Gärergebnis und Geschmacksbild zu erreichen. Dieses Ergebnis lässt sich erzielen durch die Abstimmung verschiedener Faktoren, zum Beispiel:

  • eine bestimmte Zusammensetzung der Bierwürze, d. h. Art und Menge von Zucker und Aminosäuren sowie das Verhältnis beider zueinander
  • eine gezielte Belüftung der Würze mit Sauerstoff bei der Zugabe der Hefe
  • die Verwendung eines ganz spezifische Hefestammes in entsprechender Menge
  • eine genaue Steuerung der Temperatur während und zum Ende der Gärung
  • eventuellen Druck auf den Gärtank

Nach der Hefegabe beginnt für Würze und Hefe ein geradezu stürmisches Spiel. Malzzucker wird durch die Hefe in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Im einzelnen geschieht folgendes: Mit der Bierwürze stehen der Hefe neben den Einfachzuckern wie Glucose und Fructose hautsächlich die Maltose zur Verfügung. Glucose und Fructose gelangen ohne weiteres Zutun in die Hefezelle. Maltose wird aktiv hineintransportiert. Im Zellinneren bilden sich in einem chemischen Prozess aus dem Zucker als Ausgangsstoff die Endprodukte Alkohol und Kohlensäure. Zudem gewinnt die Zelle Energie aus dem Prozess.
Die Vermehrung der Hefe während der Gärung kann man grob in drei 3 Phasen unterteilen: Während der ersten, der so genannten „latenten Phase“ erfolgt noch keine Vermehrung. Bei der zweiten, der „logarithmischen Phase“ vermehrt sich die Hefe exponentiell. Bei der dritten „letalen“ Phase geht die Vermehrung der Hefe durch den Mangel an Sauerstoff und durch den steigenden Anteil an Alkohol und Kohlensäure immer weiter zurück.
Die untergärige Brauereihefe vergärt am besten bei Temperaturen unter 10°C und setzt sich mit fortschreitender Gärung immer mehr unten im Gärtank ab. Die obergärige Brauereihefe vergärt am besten bei Temperaturen um die 20°C. Bei der oben beschriebenen Sprossung trennen sich Tochter- und Mutterzelle nicht komplett voneinander ab. So bilden sich verzweigte zusammenhängende Sprossverbände (so genannte „Kräusen“), die mit der Kohlensäure während der Gärung mit nach oben steigen.

Je mehr der Alkoholanteil im Bier bei diesem Vorgang zunimmt, um so weiter sinkt der Anteil des Malzzuckers ab. Mit der Würzespindel hat der Braumeister diesen Prozess jederzeit im Blick. Nach einer ganz bestimmten Anzahl von Tagen - auch dieser Zeitraum ist in den Rezepturen der Klosterbrauerei je nach Biersorte genau festgelegt - endet die Hauptgärung bei einem vorher festgelegten Alkoholgehalt des „Jungbieres“.

Je nach Biersorte wird die Hefe mehrere Male geführt, d. h. für mehrere Gärungsvorgänge verwendet. Bis zum nächsten Gärvorgang wird die Hefe mit klarem Brauwasser gewaschen, gereinigt und in speziellen Hefetanks bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt aufbewahrt. Die Klosterbrauerei Andechs züchtet zudem in besonders ausgelegten Behältern ihre Hefen selbstständig nach.

Kloster Andechs Wappen